Wie erleichtert eure Plattform Recherchen mit Daten aus dem All?

Foto von Marcus Pfeil und Michael Anthony von Vertical52

Mehr als 6.000 aktive Satelliten kreisen mittlerweile um die Erde. Wie können auch Journalist:innen die Daten nutzen, die sie sammeln? Im Rahmen des Media Founders Programs von MIZ Babelsberg und MediaTech Hub Accelerator entwickeln Marcus Pfeil und Michael Anthony Vertical52. Vertical52 ist eine Web-Plattform, die Recherchen mit Satelliten- und Radardaten erleichtert – über die Plattform sollen Journalist:innen unabhängig vom Betreiber des Satelliten nach passenden Bildern suchen und Recherchen in Auftrag geben können. Zum Abschluss der Phase eins des Förderprogramms beim MIZ Babelsberg haben wir mit Marcus Pfeil über das Projekt gesprochen.

„Vertical52 liefert einen bequemen Zugang zu allen Betreibern, analysiert Satelliten- und Radardaten und visualisiert die Ergebnisse. Vertical52 ist die erste Nachrichtenagentur aus dem All.“

Lieber Marcus, warum sind Satellitendaten wichtig für den Journalismus und welchen Mehrwert bietet Vertical52?

Marcus Pfeil: Was früher Militär und Geheimdiensten vorbehalten war, eröffnet Journalist:innen eine völlig neue Perspektive bei der Recherche. Inzwischen umkreisen mehr als 6.300 aktive Satelliten die Erde, die Zahl der zivilen Anwendungen steigt ebenso wie die Auflösung der Aufnahmen, die Preise fallen. Vertical52 liefert einen bequemen Zugang zu allen Betreibern, analysiert Satelliten- und Radardaten und visualisiert die Ergebnisse – im Abo für Redaktionen und Publisher. Vertical52 ist die erste Nachrichtenagentur aus dem All.


Die Website von Vertical52 mit einer Auswahl der bisherigen Recherchen (Quelle: Vertical52)

Wer ist die Zielgruppe für eure Plattform?

Marcus: Wir sprechen mit unserem Service sowohl die großen Investigativteams an als auch Lokalredaktionen oder Freelancer. Dafür testen wir gerade mit ausgewählten Redaktionen verschiedene Preismodelle.

„Wir arbeiten im Auftrag und produzieren Analysen. Wir entwickeln aber auch eigene Formate und suchen uns dann einen Medienpartner. Oder wir besorgen hochauflösende Bilder und unterstützen aufwendige Recherchen.“

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Journalist:innen bzw. Redaktionen und Vertical52 konkret?

Marcus: Wir arbeiten im Auftrag und produzieren aufwendige Analysen wie etwa zu der Frage vom NDR, wie viele Baumwollfelder in Xingjiang von Menschen oder von Maschinen geerntet wurden. Wir entwickeln aber auch eigene Formate und suchen uns dann einen Medienpartner. Oder wir besorgen hochauflösende Bilder und unterstützen aufwendige Recherchen wie zuletzt die Recherche über den Getreideklau von Russland in der Ukraine, bei der wir mit den Kolleg:innen von NDR-Recherche einen Frachter in Syrien ausfindig gemacht haben, der sein Transpondersignal ausgeschaltet hatte. Für eine Recherche in Kooperation mit STRG_F, NDR Panorama und der Tagesschau haben wir anhand von Radardaten ausgewertet, ob der Lithium-Abbau in Argentinien einen Salzsee austrocknet.

Recherche von Vertical52 im Rahmen einer STRG_F-Doku zu Zwangsarbeit in der chinesischen Provinz Xinjiang

„Im ersten Schritt geht es immer darum, eine Methode zu entwickeln, um einer bestimmten Frage auf den Grund gehen zu können – dafür schauen wir etwa, ob es einen passenden Open-Source-Algorithmus gibt oder ob wir einen solchen erst selbst schreiben müssen.“

Wie geht ihr eine Recherche zu einem bestimmten Thema an? Was sind die einzelnen Schritte bei der Recherche mit Satellitendaten?

Marcus: Wir arbeiten mit allen großen Satellitenbetreibern zusammen – öffentlich wie kommerziell. Im ersten Schritt geht es immer darum, eine Methode zu entwickeln, um einer bestimmten Frage auf den Grund gehen zu können – dafür schauen wir etwa, ob es einen Open-Source-Algorithmus gibt, mit dem wir Glimmer sichtbar machen können oder ob wir einen solchen erst selbst schreiben müssen. Funktioniert die Methode im Kleinen, können wir sie auf eine ganze Region anwenden. Und im Idealfall haben wir jemanden vor Ort, der verifiziert, was wir gesehen haben, aber das ist leider nicht immer möglich.

Wie geht es jetzt nach der MIZ-Förderung mit Vertical52 weiter?

Marcus: Wir gehören seit Oktober 2022 zu den ersten Teams, die der WPK-Innovationsfonds großzügig unterstützt, um den Prototypen, den wir dank der MIZ-Förderung entwickeln konnten, innerhalb der nächsten zwölf Monate auch marktfähig machen. Außerdem sind wir im Batch 12 des Media Lab Bayern. Im Februar 2023 beginnen wir die Phase zwei des Media Founders Programs und entwickeln beim MediaTech Hub Accelerator unser Geschäftsmodell weiter.

Welche drei Tipps würdet ihr weniger erfahrenen Journalist:innen geben, die Satellitendaten für die eigene Recherche nutzen wollen?

Marcus: Erst das Gebiet, in dem man sucht, mit niedrig aufgelösten Bildern eingrenzen. Dann mit hochauflösenden Bildern finden, was man sucht. Auf schönes Wetter hoffen. Und rechtzeitig darüber nachdenken, einen Satelliten gezielt zu beauftragen. Aber im Grunde habe ich nur einen Tipp: Meldet euch einfach bei uns.

>>> Website von Vertical52
>>> „Was Zwangsarbeit mit deinem T-Shirt zu tun hat“ – Scrollytelling bei five times
>>> „Kriegsverbrechen durch Getreideklau?“ – Recherche bei der Tagesschau

Ansprechperson

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Marion Franke

Förderung

Marion leitet den Bereich Innovationsförderung. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen zu den Förderbedingungen, der Antragstellung und verantwortlich für die Betreuung der Projekte.

+49 331 58 56 58-26

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