Interview: Dr. Aljoscha Burchardt über Empfehlungen der KI-Enquete-Kommission für den Medienbereich

Dr. Aljoscha Burchardt, Mitglieder der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" des  Deutschen Bundestags, spricht auf dem Podium in ein Mikrofon
© DBT / Simone M. Neumann

Die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Bundestags hat am 28. September 2020 ihre Ergebnisse vorgestellt. Zwei Jahre lang haben 19 Mitglieder des Bundestags mit 19 externen Sachverständigen über Chancen und Potenziale der KI beraten. Technische und rechtliche Fragen, politische und ethische Aspekte von KI standen dabei im Fokus.  

Seit Anfang des Jahres bildet das Thema „Künstliche Intelligenz im Journalismus und in der Medienwelt“ den Förderschwerpunkt des MIZ Babelsberg. Dr. Aljoscha Burchardt ist beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) als stellvertretender Standortsprecher tätig und saß als Sachverständiger in der Enquete Kommission. Als Experte für KI war er unter anderem im MIZ-Podcast "Detektei Zukunft" zu Gast, hat als Feedbackgeber unsere Projektteams im Rahmen der MIZ Role Model Session unterstützt und in einem Videoformat Grundbegriffe rund um Künstliche Intelligenz erklärt.

Wir haben mit ihm über die Empfehlungen der Enquete-Kommission für den Medienbereich gesprochen.

MIZ Babelsberg: Herr Dr. Burchardt, Warum ist eine Projektgruppe zum Thema „KI und Medien“ in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Bundestages wichtig? Was sind ihre Ziele?

Aljoscha Burchardt: Der Bundestag hat in seinem sogenannten Einsetzungsbeschluss die Kommission beauftragt, eine lange Liste von Themen rund um KI zu behandeln. Das Stichwort “Medien” tauchte hier noch nicht auf, aber beispielsweise die Frage nach den Auswirkungen der KI auf demokratische Prozesse. Wir haben dann diskutiert, ob die Arbeitsgruppen eher übergeordnete Themen haben sollen wie “Staat” oder “Ethik” und man dann innerhalb der Gruppen nach Anwendungsfeldern wie Mobilität oder Medizin differenzieren soll. Ich habe mich sehr dafür stark gemacht, das ganze umzudrehen und die Arbeitsgruppen nach Anwendungsfeldern zu gruppieren und dann innerhalb von “Mobilität” oder “Medizin” zu schauen, was der Staat tun soll, welche ethischen Fragen es gibt etc. Und so haben wir es dann auch entschieden. Es war klar, dass wir nicht alle möglichen Anwendungsgebiete in der maximalen Anzahl von sechs Arbeitsgruppen diskutieren können. Das Thema Medien hat es dann aber in die gleichnamige Arbeitsgruppe geschafft.

MIZ: Wie verändern sich Medienwelt und Journalismus durch Künstliche Intelligenz? Wie wird sich das in Zukunft auswirken?

AB: Die Veränderungen in der Content-Produktion sind nach derzeitigem Stand der KI wahrscheinlich noch die geringsten. Während der klassische Roboterjournalismus nur in Nischen funktioniert (Fußball, Wetter, Börse), ist derzeit nicht zu erkennen, ob und wann wir beispielsweise mit mehr Technologien zum automatisierten Schreiben rechnen können. Wir sehen hier die KI eher als Unterstützungs-Tool bei der Recherche, beim Auswerten der Sozialen Medien oder beim Kuratieren von Inhalten für verschiedene Kanäle und Formate.

Die Content-Distribution hingegen hat sich durch KI schon massiv gewandelt. Hier wurde viel über Plattform-Regulierung gesprochen und auch über die bekannten Themen wie Uploadfilter, DSGVO, Medienstaatsvertrag etc. Dazu konnte ich als Computerlinguist dann teilweise nicht so viel beitragen, dafür dann aber andere Sachverständige wie z. B. JuristInnen. Was allerdings klar wurde, ist, dass an vielen Stellen noch sehr viel Forschungsbedarf über die gesellschaftlichen Effekte von KI - etwa in den Plattformen - besteht. Da haben wir dann beispielsweise gefordert, dass Schnittstellen für Forschung und JournalistInnen entstehen, mit denen das Geschehen auf den Plattformen beobachtet werden kann.

MIZ: Was sind laut den Ergebnissen die größten Chancen und die größten Herausforderungen beim Einsatz von KI im Medienbereich?

AB: Eine längere SWOT-Analyse findet sich in dem öffentlich zugänglichen Zwischenbericht. Subjektiv finde ich den Punkt sehr wichtig, dass KI es JournalistInnen erst ermöglicht, die Sozialen Medien als Quelle auszuwerten und etwa die dortige Debatte dann aufzubereiten. Das geht wegen der Menge der Beiträge schlicht nicht mehr per Hand. Die großen Gefahren sind eigentlich die bekannten wie Medienkonzentration, Filterblasen oder Overblocking. Das sind dann Kipppunkte, die beim massenhaftem Einsatz der Technologien entstehen können und sogar schon entstanden sind.

MIZ: Was können Sie noch über die Arbeit der Enquete-Kommission verraten, das im Bericht nicht enthalten ist?

AB: Ich bin froh, wie gut die Atmosphäre war und wie viel Einigkeit über den wirklichen Sachstand herrschte, denn das ist ziemlich genau das, was man von einem großen, fraktionsübergreifenden demokratischen Konsensprozess erwarten kann.

Dass am Ende nicht jeder seine politischen Botschaften unterbringen konnte, ist dann eben so: Die einen wollen aus dem Einsatz von KI in der Arbeitswelt mehr Mitbestimmung ableiten, die anderen wollen die Technologie am liebsten nur für ökologische Zwecke und das Gemeinwohl einsetzen und wieder andere wünschen sich eine wirtschaftsfreundliche Regulierung.

Auch wenn es viel Arbeit war und meine Familie einige Abende auf mich verzichten musste, war die Teilnahme an der Enquete mir eine große Ehre. Ich habe viele spannende und nette Leute kennengelernt und es hat einfach auch Freude gemacht. Schließlich hat sich mein Vertrauen in die Demokratie noch einmal gestärkt.

Die Zusammenfassung der vorläufigen Ergebnisse der Projektgruppe „KI und Medien“ ist hier abrufbar: https://www.bundestag.de/resource/blob/794590/7aa0a9262c1f928ffd9de9176d3355f4/PG-6-Projektgruppenbericht-data.pdf

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