Wie ermöglicht ihr mit Gencaster dynamisches Audio-Storytelling?

Wie können Online-Audioinhalte weitergedacht werden? Das hat sich Vinzenz Aubry gefragt – und mit Gencaster in der MIZ-Förderung eine Open-Source-Software für die Produktion dynamischer Audioformate entwickelt. Diese Formate sind nicht mehr in sich abgeschlossen und werden in der gleichen Form an alle Hörer:innen ausgespielt, sondern reagieren dynamisch auf Daten und Interaktion.

Wie Gencaster funktioniert, wie die Software von Medienschaffenden genutzt werden kann und welche konkreten Use Cases sich mit ihr umsetzen lassen, hat uns Vinzenz im Interview zum Abschluss der MIZ-Förderung verraten.

„Gencaster verhält sich zu Podcasts wie eine HTML-Website zu Büchern. Spannend wird es, wenn man die dynamischen Möglichkeiten mit ausnutzt.“

Lieber Vinzenz, mit Gencaster willst du die Produktion dynamischer Audioformate ermöglichen. Was sind dynamische Audioformate und wie unterscheiden sie sich von bisherigen Online-Audioinhalten?

Vinzenz Aubry: Üblicherweise sind Audioinhalte in sich abgeschlossene Formate, die als einzelne Dateien an unsere Geräte ausgeliefert werden. Mit Gencaster möchten wir dies überdenken und die einzelnen Bestandteile der Inhalte in sich aufbrechen, um neue Formate zu ermöglichen.

Gencaster verhält sich zu Podcasts wie eine HTML-Website zu Büchern. Es können natürlich rein lineare Inhalte ausgeliefert werden, doch spannend wird es, wenn man die dynamischen Möglichkeiten mit ausnutzt.


Vinzenz Aubry und Dennis Scheiba vom Projektteam Gencaster
Vinzenz Aubry und Dennis Scheiba vom Projektteam Gencaster

Mit Gencaster lassen sich Audioinhalte dann zum Beispiel in Echtzeit personalisieren. Welche Anwendungsmöglichkeiten bietet das?

Vinzenz: Gencaster ist bewusst so entwickelt, dass sich mit der Software verschiedene Formate realisieren lassen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von rein linearen Formaten, die um inhaltliche Vertiefungen oder leichte Personalisierungen erweitert werden, bis zu komplexen, generativen Stücken mit künstlichen Stimmen und anderen Technologien. Prinzipiell können jegliche Daten genutzt werden, da wir neben Textbausteinen auch die Einbettung von Programmiersprachen anbieten. Wir unterteilen Informationen in aktiv und passiv. Ersteres wären z. B. persönliche Präferenzen, ein Vorname oder GPS-Daten. Letzteres wären beispielsweise die Uhrzeit, oder der Tag, an dem etwas angehört wird. Auf all das kann Bezug genommen werden und letztendlich sind keine Grenzen gesetzt.

„Je nach Uhrzeit kann die Ansprache in einem Podcast unterschiedlich sein oder Audiowalks können sich an das Bewegungsverhalten der Hörenden anpassen, ohne an bestimmte Orte gebunden zu sein.“

Was wären konkrete Audioformate, die Journalist:innen und Redaktionen mit Gencaster umsetzen können?

Vinzenz: Die Möglichkeiten sind unendlich und ich bin sehr gespannt, wie andere Kreative mit der Software umgehen. Ich kann ein paar Use Cases und Beispiele aufzählen, die mit Gencaster möglich sind:

  • Je nach Uhrzeit kann die Ansprache in einem Podcast unterschiedlich sein.

  • Bei Nachrichten kann das Wetter über eine künstliche Stimme zusätzlich personalisiert in Bezug auf den aktuellen Ort ausgespielt werden.

  • Audiowalks können sich fluide an das Bewegungsverhalten der Hörenden anpassen und sind nicht an bestimmte Orte gebunden.

  • Zeitspezifische Inhalte aus Reportagen können programmatisch aktualisiert oder ausgeblendet werden.

 

So funktioniert Gencaster auf Seiten der User:innen und des Servers

Wie funktioniert die Software und welchen Funktionsumfang bietet sie?

Vinzenz: Die Software besteht aus zwei Teilen: Zum einem aus einem Editor, der es über ein einfaches Interface ermöglicht, lineare Inhalte um dynamische zu erweitern. Und zum anderen kümmert sie sich um die Generierung und Auslieferung dieser Inhalte. Uns ist wichtig, dass es ein All-in-One System ist, das das komplette Ökosystem abdecken kann.

„Der Editor selbst setzt keine Programmierkenntnisse voraus. Einstiegsformate wie optionale Vertiefungen von Inhalten oder die Nutzung von künstlichen Stimmen können darüber einfach zusammengeklickt werden.“

Wer kann Gencaster nutzen und wie viele technische Vorkenntnisse sind notwendig?

Vinzenz: Grundsätzlich sind alle Medienschaffenden, die sich mit Audio beschäftigen, potentielle Anwender:innen. Wir produzieren selbst experimentelle Hörstücke und hoffen, dass Gencaster in Podcastschmieden, beim Radio und von Hörspielproduzent:innen genutzt wird. Wenn Gencaster auf einer eigenen Infrastruktur eingerichtet werden soll, werden zwar ein paar technische Kenntnisse benötigt, wir machen diesen Prozess aber so einfach wie möglich. Es ist eine einzelne Installation, die die ganze Infrastruktur einrichtet.

Der Editor selbst setzt keine spezifischen Programmierkenntnisse voraus. Einstiegsformate wie optionale Vertiefungen von Inhalten oder die Nutzung von künstlichen Stimmen können darüber einfach zusammengeklickt werden. Erst bei komplexeren Mechaniken macht es dann irgendwann Sinn, auch Code mit einzubauen. Wir arbeiten aber auch an Templates und Bausteinen, die wir in Zukunft mit anbieten wollen.

Beispielskizze für ein dynamisches Hörstück

Beispielskizze für ein dynamisches Hörstück mit Gencaster


Warum habt ihr euch dazu entschieden, Gencaster als Open-Source-Lösung umzusetzen?

Vinzenz: Unser Hauptziel ist die Verbreitung und Adaption der Technologie und der dadurch möglichen Formate. Wir möchten die Einstiegshürden möglichst gering halten und vor allem die Nutzung im nicht kommerziellen Bereich unterstützen. Wir denken, dass es dem Projekt viele Vorteile gibt, wenn auch andere Entwickler:innen über unseren Code gehen, ihn verbessern oder Hinweise auf Fehler melden können. Und zu guter Letzt vertreten wir das Credo: public money, public code.

Wie geht es mit Gencaster jetzt nach der MIZ-Förderung weiter? Gibt es schon Pläne, die Software für konkrete Formate zu nutzen?

Vinzenz: Wir werden zum Ende der Förderung ein kleines Pilotprojekt mit dem Namen „Drifter“ veröffentlichen. Es ist ein dynamisches Hörspiel, das sich mit den Implikationen von digitalem Wissen beschäftigt und in Echtzeit Informationen aus Wikipedia-Artikeln mit einbaut. Des Weiteren sind wir in Gesprächen mit anderen Medienschaffenden und haben Workshops mit Studierenden und jungen Audioschaffenden geplant. Außerdem sind wir sehr glücklich, dass wir direkt mit einer Anschlussförderung des Media Lab Bayern weiterarbeiten können. Darüber freuen wir uns sehr, da wir noch sehr, sehr viele Features auf der Liste haben, die wir gerne in den Editor einbauen wollen.


>>> Projektseite von Gencaster
>>> Website von Gencaster

 

Ansprechperson

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Marion Franke

Förderung

Marion leitet den Bereich Innovationsförderung. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen zu den Förderbedingungen, der Antragstellung und verantwortlich für die Betreuung der Projekte.

+49 331 58 56 58-26

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